Bolivien hat uns

Seit ein paar Tagen sind wir in Bolivien. Und alles, was wir bisher erlebten, wird in den Schatten gestellt. Bolivien ist eine Herausforderung für Mensch und Maschine. Auch von der Landschaft ist das hier der Hammer.

Aber schön der Reihe nach.

Als wir vor ein paar Tagen nach dem Zug in die Wolken Argentinien verließen und in Richtung Bolivien aufbrachen, mussten wir erst die Grenze zwischen Argentinien und Chile am Paso Jama überqueren. Das war insoweit unspektakulär, da wir wussten, dass die Chilenen bei der Mitnahme von frischen Lebensmitteln und Pflanzen keinen Spaß verstehen. Und die Chilenen nehmen es genau. Mindestens so genau, wie die Schweizer.

Bei der üblichen Kontrolle der Zöllner im Camper fand die Dame, die von uns für sie zufindenden Lebensmittel, wie Zwiebeln und Kartoffeln. Alle anderen Lebensmittel haben wir im großen Grenzfressen vertilgt.

Beim Durchwühlen unserer Sachen fand die Dame meine Strumpfsteinschleuder, die ich zur Selbstverteidigung gebastelt habe, bestehend aus einem Ast, einem Strumpf, einem faustgroßen Stein und drei Kabelbindern. Als die Dame die Schleuder gefunden hatte, wurde mir Angst und Bange, dass wir jetzt Probleme wegen Waffenbesitz bekommen. Sie beschlagnahmte die Schleuder, weil der Ast eine Pflanze ist und Pflanzen nicht eingeführt werden dürfen. Sie machte sich noch darüber lustig, dass ich eine Schleuder, wie die alten Römer hätte.

Nun konnte uns nichts mehr von dem Abenteuer Bolivien aufhalten. Wir mussten nur noch die Grenze zwischen Chile und Bolivien passieren. 

Die Chilenen waren in einer Art Luxus-Feuerwehrgarage mit zwei Rolltoren für Rein und Raus untergebracht. Beim Reinfahren spielten die Grenzer fleißig Tischtennis und ignorierten uns erstmal. Dann kam ein sehr gut englisch sprechender Grenzer (erster Südamerikaner an sich, der gut englisch sprach) zu uns und führte uns ins Büro. 

Und das Büro war so ordentlich, so organisiert, dass mir es die Sprache verschlug. Im Fernsehen lief Euro League Rotterdam gegen Glasgow. Als ich ihm erklärte, dass zeitgleich mein Lieblingsverein spielt, wusste er sofort, dass es gegen Arsenal London ging und suchte das Spiel im Fernseher.

Nach 20 Minuten durften wir die Chilenische Grenze passieren.

Warum erzähle ich das in solch einer epischen Breite? Weil es in drei Kilometern komplett anders sein wird. Dort wo der super Asphalt aufhört und unglaubliche Strassenverhältnisse beginnen, dort liegt Bolivien.

Der bolivianische Grenzübergang bestand aus einer stinkenden Holzbaracke mit einem ebenso ungepflegten Grenzer. Er freute sich zudem diebisch, dass er mir Bolivar gegen US-$ mit einem Abschlag von 10% verkaufen konnte. 

Etwas weiter gab es eine zweite Kontrolle. Und hier brauchte ich mindestens eine Stunde. Warum kann ich nicht sagen. 

Dann begann das Drama mit Löchern, Steinen, Sand und sonstigem auf der Straße. Nein es hat die Bezeichnung Straße nicht verdient, ich weiß nicht, wie man es nennen kann. Der ADAC hätte zur Volksrebellion aufgerufen.

Schneller als 30 km/h war nicht möglich. So konnte zumindest der Beifahrer die atemberaubende Landschaft genießen. Vorbei an der Lagune Verde und Blanco braucht wir für 40 km bis zu unserer Unterkunft über zwei Stunden. Hier möchte ich betonen, das wir zwei keine Angsthasenfahrer sind.

Endlich waren wir am Tagesziel, belohnt mit einem gigantischen Blick auf Vulkane und Flamingos. Den Abend verbrachten wir draussen in einer 40 Grad heißen Quelle, gespeist aus den umliegenden Vulkanen, bestaunten wir die Landschaft und schonten unsere durchgerüttelten Gliedmaßen. Martina kochte im Camper Nudeln mit Tomaten und Mais. Herrlich.

Am nächsten Tage ging es morgens nochmals in die heisse Vulkanquelle und dann in Richtung Laguna Colorada. Was uns dann erwartete übersteigt meine literarischen Fähigkeiten. 200 km in 7 bis 8 Stunden reine Fahrzeit. Staub, Dreck, Staub, Dreck, in dieser Reihenfolge.

Aber die Strapazen wurden belohnt mit einzigartigen Vulkanlandschaften und der rosoroten Laguna Colorada mit tausenden von rosa-weißen Flamingos.

Leider wehte so ein starker Wind, dass wir den Ausblick auf die Flamingos nur einige Minuten genießen konnten.

Viele Stunden Geruckel, Ängste, dass der Camper kippt oder Achsenbruch erleidet oder noch schlimmerer Gau, einen Platten haben im Hochgebirge alleine, haben sich trotzdem gelohnt. Die Welt ist ein Wunder und schön, man muss nur raus, um dies zu entdecken.

Abends sind wir dann in einem kleinen Dorf auf immerhin noch 3.500 Höhenmeter in einer Herberge untergekommen. Gemeinschaftstoilette, Küche und Essraum inklusive. Aber sehr sauber. Und warm. 

Kleiner Exkurs, seit ca. 10 Tagen bewegen wir uns auf mindestens 3.500 Höhenmeter, in der Spitze waren es über 5.000 Meter. Hierbei helfen Coca Blätter in Form von Tee oder in der Hamsterbacke aufweichen lassen. Prince krabbelt wie ein Weltmeister, während die Eltern manchmal etwas kurzatmig sind.

Die Herbergsdame, traditionell gekleidet, war herzensgut, freundlich und hatte ihre Freude an Prince. Er ist sowieso mit seinen roten Haaren der absolute König im Inkareich. 

Nach absolvierten 5.000 km ging es nun zum nächsten Hähepunkt, der Salzwüste von Uyuni. 

Der Weg dorthin eine asphaltierte Straße. Vor Monaten wussten wir das gar nicht zu schätzen.

In Uyuni übernachteten wir nach sehr anstrengenden Tagen in einem Salzhotel. Alles bestand nur aus Salz, selbst das Bett. 

Auf Empfehlung holten wir uns Pizza und aßen diese auf dem Zimmer. Was für eine herrliche Erholung. Versüßt wurde der Abend, dass ich erst jetzt die Möglichkeit hatte im Internet das Ergebnis der Eintracht gegen Arsenal London nachzuschauen.

Am nächsten Morgen ging es dann in die Salzwüste, Salar de Uyuni. Die Salzwüste ist gigantische 11.000 Quadratkilometer groß, 12 mal so groß wie Berlin. In der Regenzeit wohl der größte Spiegel der Welt mit einem tollen Sonnenuntergang.

Heute brechen wir nach La Paz auf. Noch ein paar Einkäufe auf dem Markt erledigen und los gehts. Denkste. Auf dem Markt wurde Prince regelrecht aus dem Buggy gerissen, geküsst und geherzt von kleinwüchsigen, dunkelhaarigen indigenen einheimischen Damen. Und es wurden wieder Fotos von ihm gemacht, vom einzigen rothaarigen im Umkreis von 500 km.

Während wir diese Zeilen im Camper nach La Paz schreiben, fahren wir an unzähligen Wandbemalungen in Form zur Unterstützung von Evo Morales vorbei. Geholfen hat es ihm nichts, obwohl er den Anteil der Armen von 70% auf 39% reduzierte. 

Evo Moralrs weiter 20-25

Jetzt zur allzeit beliebten Rubrik der Südamerikaner an sich. Der Argentinier an sich hat Zeit, viel Zeit. Ein Mechaniker, der mir die Heizung im Camper reparieren wollte, sagte er würde um Neun Uhr morgens kommen. Wahrscheinlich ist er bis heute noch nicht gekommen. Ein Schweizer den wir kennenlernten sagte, Gott hat den Europäern die Uhr gegeben, den Lateinamerikanern die Zeit.

Zusätzlich gibt es ab heute skurrile Fundsachen. Vor ein paar Tagen, irgendwo noch in Argentinien lief im Radio Falco mit Der Kommissar. Ok, kann ich verstehen, Falco war bis zu seinem Tod ein Weltstar.

Aber das ein paar Tage später dies hier im Radio lief, ist sehr skurril.

Geiersturzflug mit Bruttosozialprodukt. Vielleicht sollte ich der Band das schreiben.

Und heute schallte uns an der Tankstelle in Bolivien 99 Redballoons von Nena entgegen. 

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